Die ganze Welt, alle Länder bereisen!
Seit Jahrzehnten reise ich durch die Welt und habe schon die meisten Staaten besucht. Ich möchte aber noch mehr, möglichst alle, kennen lernen.
Wenn ich die Reiseziele meiner Bekannten höre und sie schwärmen von fernen Erdteilen, nennen sie meist USA, Kanada, Südafrika. Ich sage dann, „als nächstes wollen Sie also nach Australien und Neuseeland?“ Das sind die Länder mit interessanten Landschaften, wo die Weißen hundert Jahre den Way of Life geprägt haben, die am leichtesten und komfortabelsten zu bereisen sind. Da kommen noch etwa Argentinien und einige frühere Kolonien wie Namibia und Kenia in Frage. Möglichst Länder, wo Englisch gesprochen wird. Heute bieten aber auch viele Schwellenländer, beispielsweise die Big Tigers in Südostasien oder Ölstaaten in Nahost, Hotellerie und Transportmittel von höchstem Komfort.
Diese Staaten habe ich fast alle schon besucht. Doch reizen mich ebenso die anderen, gerade auch die touristisch weniger frequentierten Länder, wo man allenfalls ein paar jüngere Rucksacktouristen antrifft. Inzwischen bieten die großen Reiseveranstalter schon recht ausgefallene Ziele an, als Gruppen- oder Individualreisen. Für mich ist nicht die Form der Reise oder der Name des Reiseveranstalter entscheidend, sondern, dass ich preiswert und zu mir passenden Zeiten in die Zielländer komme. So starte ich öfters auf eigene Faust ohne Vorbuchungen und ohne größere Vorbereitungen und habe Spaß gehabt an dieser Art zu reisen. Schwierig ist es allerdings, für ausgefallene Länder Reisepartner zu gewinnen. Die Ungewissheit, was da auf einen zukommt, mag ich auch kaum anderen zumuten und reise gelegentlich ganz allein.
Die Schönheit eines Landes spielt für mich keine wichtige Rolle. Natürlich sehe auch ich gern interessante Landschaften, Orte, Vegetation, Menschen, Tiere. Jedes Land hat aber seine eigenen Reize, seine Eigenheiten, und wenn es die Eintönigkeit ist. Viele schwärmen von Sibirien; leider war ich noch nicht dort. Was ist Burkina Faso, was ist Guyana? Darunter konnte ich mir vor ihrem Besuch gar nichts vorstellen.
Ich möchte einen Eindruck von den charakteristischen Merkmalen der Länder bekommen. Möglichst die Hauptstadt sehen, einige Museen besuchen, mehrere hundert Kilometer durch die Landschaft fahren, am besten auf dem Landwege und mit dem Auto, damit man anhalten lassen kann. Außerdem nehme ich mir einige landestypische Sehenswürdigkeiten vor. Mit jedem Land, das man hinzufügt, erweitert sich auch das Bild von den Teilen der Erde, die man schon früher kennen gelernt hatte. Es fügt sich eines zum anderen, man erkennt Länder- und Völkergruppen, Regionen, Erdteile, wie sie zusammen gehören oder sich unter-scheiden. Das allein ist schon die Bedeutung „weniger interessanter“ Länder. Kein Mensch kann die ganze Welt sehen; aber Staaten gibt es nur in einer begrenzten Zahl; derzeit knapp 200. Die kann man theoretisch in einem Menschenleben bereisen, dies ist mein Ziel, mögen nachher auch noch einige Länder übrig bleiben. Manche Leute fahren 20 Jahre an den gleichen Urlaubsort. Schön, wem das gefällt. Zum Glück hat jeder eine andere Urlaubs-Philosophie.
Jeder Mensch hat auch seinen eigenen Reise-Lebenslauf. Ich weiß, dass viele, die gern in die Welt hinaus möchten, aus den unterschiedlichsten Gründen in den besten Jahren ihres Lebens nicht so reisen konnten, wie sie gern gewollt hätten. Mal waren es die Kinder, mal der Partner; Gesundheit und Beruf spielen eine Rolle. Mit Kindern oder einem nicht mitverdienenden Partner können Reisen ja auch unerschwinglich teuer werden.
Ich habe das alles miterlebt, konnte erst in der zweiten Lebenshälfte mit Reisen außerhalb Europas beginnen und bin inzwischen 77 mal in Übersee gewesen. Die europäischen Länder habe ich bis auf Weißrussland schon alle mindestens einmal aufgesucht.
Vielfältige, unterschiedliche Reisegründe
Braucht man einen Grund, seine Reisen zu rechtfertigen? Jeden treibt etwas anderes. Vielfach ist man sich selbst gar nicht so klar darüber, was es ist. Ich werde immer wieder gefragt, warum fährst Du da überall hin, was reizt Dich dort? Vielen Globetrottern wird diese Frage gestellt. Ich möchte einige allgemeine und einige für mich wichtige Reise-Zwecke nennen: Finden Sie Ihre Motive darunter?
Etwas für seinen Körper tun:
Erholung, Entspannung, „Wellness“
besseres Wetter genießen, braun werden,
Wandern, Sport treiben: Baden Schwimmen, Surfen.
Geselligkeit erleben, andere Reisende kennen lernen.
Oder: Abschalten, Ruhe finden.
Selbstbestätigung (besonders wichtig im Alter),
der körperlichen Fitness für die Reise und für die Urlaubs-Aktivitäten; der mentalen Fähigkeit, in fremder Umgebung, eventuell ohne organisierte Hilfe, zurechtzukommen und Sinnvolles zu unternehmen.
Die Menschen und die Gesellschaft des Ziel-Landes kennen lernen:
Begegnungen, Kontakte; auf der Straße, im Park, im Bus, im Hotel.
Wie kommt man mit den Leuten ins Gespräch, wie zugänglich sind sie?
Im Lande verwendete Sprache in Wort, Presse, Fernsehen, Reklame. In welcher anderen Sprache kann man mit den Leuten kommunizieren?
Die soziale Situation, Lebensstandards, Lebensstil, Essen, Wohnen,
Ethnische Gruppen, Gastarbeiter- und Flüchtlings-Gemisch.
Ein Land kennen lernen:
Kultur
Die Religionen und ihre unterschiedlichen öffentlichen Ausdrucksformen, ihr Einwirken auf Menschen und Alltag.
Das Zusammenleben der verschiedenen Religionen.
Geschichte
Antike } was sehen wir noch heute aus
Kolonialzeit } geschichtlicher Zeit?
Historische Bauwerke und Monumente.
Bauformen und -Stile vermitteln uns geschichtliche und gesellschaftliche Zeitabschnitte, ja, eine Vorstellung von der Zeit überhaupt.
Architektur
Gegenwarts-Architektur und Bauzustand,
Staatsbauten, Parlamente,
Kirchen, Moscheen, Pagoden,
Brücken, Häfen, Eisenbahnen, Straßen.
Medien
Fernsehen, Zeitungen mit der Präsentation
der Vielfalt des Landes, seiner Kultur, und Sprache.
Journalismus-Kultur (Ausdrucksweise, Umgang miteinander)
Telekommunikation (Verbreitung, Standards, technische Reife).
Die politische Situation im Land
Gegenwartsfragen des Landes; das Regime.
Die Innen-, die Außenpolitik.
Polizei und Staatsapparat; Sicherheit.
Die Wirtschaft
Kaufhäuser, Geschäftstypen und die angebotenen Waren.
Restaurants, Esskultur, Internationalisierung (Mac-Kultur),
Straßenverkehr, Auto-Hersteller, Wagen-Typen.
Das Geldwesen
Ein Blick in die Mütze des Bettlers kann manchmal schon viel aussagen: Die Anzahl der Nullen auf den Banknoten;
Abnutzung und Alter der Geldzeichen;
Geldwechsler, Transfer-Läden für Gastarbeiter,
Bankpaläste, Verbreitung von Geldautomaten.
Erkundungsdrang
Ein Urtrieb, der wohl für fast jedes Leben gilt.
Für mich spielt die Erkundung geographischer, geschichtlicher und politischer Zusammenhänge wahrscheinlich eine größere Rolle als die Erkundung eines kleineren Gebietes.
Erwandern oder Erradeln eines größeren Gebietes.
Auto fahren, Fliegen, Schiffsreisen.
Freiheitsdrang, Freiheitsgefühl
Reisen vermittelt das Gefühl der Freiheit, der Fähigkeit, in der Welt nach Belieben (mit befristetem Visum) herumzutraveln, Grenzen zu überwinden, Mobilität zu genießen, die vielen versagt ist. Ich sehe aber auch, dass mit der Zunahme der Weltbevölkerung das Reisen aus ökologischen Gründen wohl eingeschränkt werden muss.
Die Erweiterung seines Weltbildes
Mit der Erkundung eines Landes und den Reisen in eine Vielzahl von Ländern erweitert man sein Weltbild. Manchmal genügt eine Frage oder eine Überschrift in einer ausländischen Zeitung, um seine eigenen, in Europa, Deutschland, geprägte Sicht der Dinge für sich selbst in Frage zu stellen. Unsere eigenen, heimatlichen Probleme werden klein, erscheinen unbedeutend.
Umweltzerstörung
Mit Aufmerksamkeit verfolge ich die Umweltzerstörung in der Welt; versuche, die verschiedenen Ursachen zu erkennen. Ich sehe die Auswirkungen der Überbevölkerung, Zersiedelung der Landschaft, Verslummung in Städten und auf dem Lande, Rodungen, Abfall- und Abwasser-Entsorgung, Wasser- und Luftverschmutzung; die Einfügung von Industrie-Anlagen, Verkehrs- und Energiewegen in die Landschaft.
Geographie als Reiseinteresse
Meistens versucht man, ein Land unter allen möglichen Aspekten kennen zu lernen. Wie ich feststelle, bin ich stark geographisch ausgerichtet. Meine Lehrer, Bücher, Presse, Filme, Fernsehen, ja Kreuzworträtsel haben mich neugierig gemacht. Immer wieder waren geographische Formationen und ihre Namen Anknüpfungen für das Verständnis der Geschichte, von Sagen, von Entdeckungen, Kriegen, Wanderungsbewegungen, Staatsgründungen. Viele Siedlungen oder Eroberungen strategisch bedeutsamer Punkte und Regionen waren bestimmt durch geographische Charakteristika oder Aspekte, die man noch heute an der Landschaftsgliederung ausmachen kann. An der Landschaft, an Golfen, Meeresarmen, Inseln, Küsten, Deltas, Gebirgen, Flüssen, Seen, Stränden, Wüsten, Sahel-Räumen hat sich seit Jahrhunderten, Jahrtausenden, meist wenig verändert. Ihre „geostrategische Bedeutung“ kann sich dagegen durch den Lauf der Geschichte, politische oder technische Umwälzungen entscheidend gewandelt haben.
Die Vielfalt der Landschaften, die Übergänge ihrer Erscheinungsformen, werden bei lang ausgreifenden Fahrten in relativ rascher Folge besonders deutlich. Deshalb habe ich mich auch von weiten Reisen mit dem Pkw nicht abhalten lassen. Im Gegenteil sehe ich darin einen besonderen Reiz.
Wenn ich von der norddeutschen Tiefebene über die Mittelgebirge, das Alpenvorland, in die Alpentäler, über die Gebirgskämme, in die südalpinen Regionen und ans Mittelmeer fahre, das Meer überquere und auf einem anderen Kontinent weiterfahre, dann erlebe ich die Regionen, ihre Strukturen und Eigenarten, ihre Unterschiedlichkeiten und Übergänge; ich bekomme ein Gefühl für das Oberflächen-Relief, die Gebirge, die Fauna, die Meere, das Wetter, für Siedlungsräume.
Dabei faszinieren mich jedes Mal die Bergpässe, wenn man über trennende Gebirgszüge in einen anderen Lebensraum eintritt. Z.B. über den Brennerpass, den Reschenpass an der Via Aurelia, den Wurzenpass in den Karawanken nach Slowenien. Man denkt daran, dass diese Gebirgs-Einschnitte schon in der Antike und sogar im Neolitikum von Menschen benutzt wurden. Man weiß, dass dort auch eine Wasserscheide verläuft, der Regen von einem Schritt zum anderen in ein anderes Weltmeer fließt.
Wenn ich das Rheintal flussauf, durch Burgund, die burgundische Pforte und das Rhonetal bis zum Delta fahre, mit dem Schiff nach Nordafrika, dort die Einfahrt in die Bucht von Karthago erlebe, so wie sie schon die Römer bei ihren Griffen über ihr Mare nostrum gesehen haben müssen, durch die fruchtbaren Ebenen Nordafrikas fahre, die den Römern als Kornkammern dienten, dann erkenne ich viele Zusammenhänge der Geschichte.
An Gebirgsstrecken, insbesondere in den nördlichen afrikanischen Randgebirgen, fielen mir immer wieder die Merksprüche aus dem Geografie-Unterricht zu den tektonischen Faltenzügen ein, die wir vor Jahrzehnten gelernt hatten:
-Alpen-Apennin-Sizilien-Atlas-Er Riff-Sierra Nevada-Balearen-Pyrenäen -Julische Alpen-Karst-Dinarische Alpen-Albanien-Pelepones-
-Alpen-Karpaten-Eisernes Tor-Balkangebirge-Krim-Kaukasus-Elburs-
Man staunt, ist fasziniert, wenn man geografische oder historische Highlights erreicht, sieht, erlebt; zum Beispiel:
Die höchsten, markante oder berühmte Berge wenigstens von unten anschaut. Wenn man etwa den Olymp, den Mount Kamerun, den Kilimandscharo, den Nanga Parbat, den Mount Everest zu Gesicht bekommt.
Den Großen Grabenbruch im Osten Afrikas an den verschiedensten Stellen, vielleicht sogar mit vulkanischen Aktivitäten erkennen kann.
Oder, statt nur mit dem Finger auf der Landkarte, die nordafrikanische Küste mit dem Auto entlang fährt, auf den Spuren der Römer, der Araber und der Rommel-Armee.
Die zentralamerikanische Festlandsverbindung zwischen Nord- und Süd-Amerika mit öffentlichen Bussen Land für Land durch sieben Staaten von Belize bis Panama überwindet.
Ich begeistere mich, wenn ich in Zentralasien Abschnitte der Seitenstraße mit alten Karawansereien entdecke.
Wer kann fragen, was mich treibt zu einer Reise auf dem Altoplano (Hochplateau) der Anden, in 4-5000 Meter Höhe von Chile durch Bolivien vorbei an bunten Salzseen, an Geysiren und Mofetten (Schlammvulkanen), über die Salzwüste Uyuni und über den Titikaka-See nach Peru?
Das alles sind Routen, die zwar auch im Fernsehen gezeigt werden! Aber man kann sich solche grandiosen Eindrücke heutzutage auch als Normal-Tourist ohne logistische und finanzielle Unterstützung von Film- oder sonstigen Institutionen mal in zwei bis drei Wochen selbst unmittelbar verschaffen. Das Erlebnis, persönlich dort gewesen zu sein!
Ich bemühe mich immer, die historischen Namen der Regionen zu benutzen und mir einzuprägen; der Landschaften, die schon in der Antike unter Namen bekannt waren, die wir noch heute kennen, aber vielfach gar nicht recht wissen, wo sie liegen; oder die wir durch moderne Verwaltungs-Bezeichnungen und Postleitzahlen ersetzen. Burgund, Savoyen, Languedoc, Katalonien, Aragonien, Kastilien, Friauel, Slawonien, Istrien, Mazedonien, Walachei, Transsilvanien für Siebenbürgen, Dobrudscha, Tessalien. In Afrika etwa die Syrte (als Landschaft), Tripolitanien, Cyrenaika, oder in Asien: Transjordanien, Mesopotamien, Transoxanien, Baktrien, Choresmien, Kaschmir und Pandschab.
Klima
Erlebt man Winter im Libanon-Gebirge und im Anti-Libanon, oder in Zentral-Asien, Monsun auf dem indischen Subkontinent, Überschwemmungen in Zentral-Afrika, so können auch solche klimatisch-geografischen Erscheinungen ein echtes Reise-Erlebnis sein. Immer wieder wird man auf die Bedeutung der Höhe für die Temperaturen und das Klima eines Gebietes aufmerksam.
Flora und Fauna
Ein Gefühl für die Lebensräume der Menschen, ihres Viehs, der Großwildtiere und der Vogelwelt bekommen; versuchen, den Rhythmus der Wildtierzüge oder des Viehtriebs im Sahel zu verstehen.
Flüsse
Es freut oder beeindruckt den Touristen, wenn er an einen großen Fluss kommt. Und es regt zu Überlegungen an, wenn er diesen Fluss schon in anderen Ländern oder an einem ganz anderen Abschnitt einmal gesehen hatte. So begegnete ich dem längsten Fluss, dem Nil: als Crête de Nil in Ruanda, als Viktoria-See in Kenia, Ruanda und Uganda, als Viktoria-Nil in Uganda, am Zusammenfluss mit Blauem Nil im Sudan, in Ägypten im Nildelta, dem Blauen Nil in Sudan und in Äthiopien.
Oder denken Sie nicht auch manchmal darüber nach, an welchen verschiedenen Stellen, Seiten, Kontinenten habe ich eigentlich schon den Atlantik, den Indischen Ozean oder den Pazifik gesehen, vielleicht darin gebadet? Mit Schiff oder Flugzeug überquert?
Kontinent-Enden
Ich sehe mir gern einmal bewusst den nördlichsten, südlichsten, westlichsten, östlichsten Punkt der Kontinente an – oder und markante Kaps und Meerengen; schreite zu Fuß über den Äquator, den Polarkreis, einen Wendekreis (des Krebses oder des Steinbocks: je 2600 Kilometer nördlich und südlich des Äquators). Man findet dort an den großen Straßen auffallende Schilder, Linien auf den Fahrbahnen oder andere Kennzeichnungen.
Natürlich fotografiere ich möglichst alle geografischen Höhepunkte wirkungsvoll und mache dafür schon einmal hundert Kilometer Umweg.
Reisehindernisse für Deutsche zwischen 1914 und 1950
Den Deutschen war eine touristische Entfaltung in Übersee seit 1914 bis zur Gründung der Bundesrepublik 1949, also mehr als 35 Jahre, nahezu unmöglich. Bereits im Ersten Weltkrieg wurden dem Reich seine wenigen, bescheidenen Kolonien abgenommen; zunächst militärisch, später staatsrechtlich durch den Völkerbund. Wirtschaftsmisere und Währungschaos, Visa-Schwierigkeiten, Ressentiments in den Ländern und Kolonien der Siegermächte kamen hinzu. Wenn die Generationen unserer Eltern, Großeltern und Lehrer diesem Verlust nachtrauerten, dann spielten dafür nach meinem Eindruck nicht nur das Ende staatlicher Positionen und nationale Empfindlichkeit eine Rolle, sondern auch die persönliche Einengung. Engländer, Franzosen, Belgier, Niederländer, Spanier, Italiener konnten sich noch nach 1918 ausmalen, in der weiten Welt zuhause zu sein.
Besonders in der Schule kam die Resignation über die Einengung bei unseren Lehrern immer wieder zum Ausdruck, sei es in den Fächern Deutsch, Erdkunde, Geschichte, und besonders im Fach Englisch.
Wenn ich später in Afrika und Asien frühere englische Hotels, Klubs, Parks, Golfplätze, anglikanische Kirchen aufsuchte, stellte ich mir vor, wie heimisch man sich dort als „Untertan des Königs/der Königin von England“ noch teilweise bis nach 1960 vorkommen konnte.
In der Nazizeit wurden dann KdF-Schiffsreisen in europäische Gewässer begeistert angenommen. Im Kriege kam zwar mancher auf Staatskosten in Länder, die er sonst nie in seinem Leben gesehen hätte, aber eben nicht als Tourist. Ich lernte mit der Kinderlandverschickung immerhin schon die Tschechoslowakei und das heutige Polen kennen. Auch nach dem Kriege waren den Deutschen kraft Besatzungsrechts Auslandsreisen zunächst einige Jahre lang untersagt; wir durften Deutschland, das „Besatzungsgebiet“, nur mit Erlaubnis der Militär-Regierung verlassen. Erst in den Fünfziger Jahren fuhr man mit Scharnow-Reisezügen wieder in einige europäische Nachbarländer. Als die Hemmnisse für Auslandsreisen nach und nach wegfielen, avancierten die Deutschen zu Reise-Weltmeistern. Eine wahre Reise-Explosion haben wir nach dem Wegfall der Mauer bei den früheren DDR-Bürgern erlebt.
Die politische Vergangenheit der Reiseländer; Entkolonialisierung
Ganz wesentlich für mein Interesse an fremden Ländern war auch die Neuordnung der Staatenwelt, während der ich als Student und junger Mann groß geworden bin. Es war die Zeit der Entkolonialisierung, in der sich meine Neugier an dem entwickelte, was sich außerhalb Europas abspielte.
„Verlierer“ in Übersee waren dabei gerade die Staaten, die in Europa als Sieger aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangen waren. In manchen Ländern lese ich heute, dass es das Selbstbewusstsein durch die vorausgegangene Mitwirkung der Untertanen aus den Kolonien in den Armeen der Alliierten war, die nach dem Zweiten Weltkrieg zu Unabhängigkeitsstreben geführt habe.
Der Entlassung der früheren Kolonien in die Unabhängigkeit, beginnend 1947 in Indien, der Bildung selbständiger Staaten, gingen vielerorts heftige Freiheits-Bewegungen voraus, von den alten Mächten als Aufstandsbewegungen bezeichnet. Die Kolonial-Mächte führten mit diesen jahrelange Auseinandersetzungen, Kämpfe, ja regelrechte Kriege. Am heftigsten haben wohl die Franzosen um die Verteidigung ihrer überseeischen Herrschaftsgebiete und Interessen gefochten. Die Namen vieler Schauplätze von damals sind mir noch heute in Erinnerung (vgl. meine Reiseberichte Tunesien, Algerien, Vietnam).
Die meisten Entlassungen von Territorien in die staatliche Eigenständigkeit gab es 1957-1963. Wir verfolgten auch die diplomatisch-politischen Versuche der bisherigen Kolonialstaaten, durch Staatengemeinschaften die entlassenen Kolonialgebiete irgendwie doch noch an sich zu binden, Einfluss zu behalten, Nutzen aus ihnen zu ziehen. Ich erinnere an das britische Commonwealth und die französischen Afrika-Communautés. Heute sind einige frühere Kolonien Übersee-Departments des Mutterlandes und gehören als “Ultra-periphere Territorien der Europäischen Union” politisch zu Europa (Französisch-Guyana, Reunion, Martinique, Guadeloupe, Französisch-Polinesien).
Das alles konnte einen politisch interessierten jungen Deutschen doch nicht unbewegt lassen. Wir hatten ja nach dem Kriege selbst jahrelang britisches und französisches Militär-Regime und dessen schrittweisen Abbau erlebt. „Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien“, sangen die Deutschen im Karneval. Selbst nach Errichtung der Bundesrepublik 1949 gab es Besatzungsvorbehalte der Alliierten. Fragen der staatlichen Souveränität, etwa: „Wann kann man bei eingeschränkter Hoheitsgewalt schon von einem selbständigen Staat sprechen?“, beherrschten während meines Studiums das Fach Staatsrecht.
Man empfand Mitgefühl mit den jungen Staaten in Afrika und Asien, hatte aber Sorge, ob sie zurecht kommen würden.
Reguläre Transportverbindungen dahin von Deutschland gab es anfänglich noch gar nicht. Gedanken an Überseereisen waren damals schon aus Kostengründen völlig unrealistisch. Man wusste auch gar nicht, was einen dort erwartet hätte Ich persönlich begann überhaupt erst einmal, mit meiner fünfköpfigen Familie und einem Hund Deutschland und Europa per Auto zu entdecken.
Ende der 1960er Jahre fing ich an, die ersten Münzen der jungen Staaten zu sammeln. Das waren doch Zeichen ihrer errungenen Staatlichkeit. Solche Münzen konnte man hier in Deutschland damals aber gar nicht bekommen, sie waren fast unbekannt. Ich schrieb deshalb in die ganze Welt, an Währungsbehörden und Zentralbanken der neuen Staaten. Da bekam ich kuriose Briefe aus Ländern, die hier noch niemand kannte. Mein Briefträger, über die tollen bunten Briefmarken begeistert, bekam richtig Freude an seinem Beruf. Die Postsachen der neuen selbständigen Staaten, soweit sie noch zum Commonwealth gehörten, trugen überraschende Aufschriften, wie „On her Majesties Service“ (gemeint war die Königin Elisabeth von England). Manche „Oversea“-Briefe waren in Jute eingenäht oder verschnürt und gesiegelt. Ich lernte, was Surface-Mail ist (See- und Land-Beförderung, Gegensatz zur Luftpost). Das Sammeln kleiner Münzen war praktisch mein Einstieg in die Entdeckung der überseeischen Welt, die ich mir erst Jahre später persönlich anschauen konnte. Heute ist das alles ganz anders; die ersten Auslands-Kontakte ergeben sich im Internet. Die jungen Leute reisen bereits mit der Schule nach USA und haben bis 30 schon fünf oder sechs Länder fremder Kontinente besucht.
Ich suche noch heute in den überseeischen Staaten nach Zeugnissen der Kolonial-Zeit und der Freiheitsbewegungen. Da sind ja zunächst die kolonialen Bauwerke, öffentliche und private Gebäude, die in den unabhängigen Ländern weiter genutzt werden. Ihre liebevolle Unterhaltung kann sich, wie die meisten Staaten gemerkt haben, durchaus als Attraktion für den Fremdenverkehr bezahlt machen. Wichtig ist mir der Besuch von Museen in aller Welt mit der Darstellung der nationalen Geschichte. Es ist interessant zu sehen, wie viele junge Staaten der dritten Welt ihre Wurzeln auch in ihrer kolonialen Epoche sehen und dies in den Museen herausstellen. Sonst tritt das koloniale Erbe in den neuen, mittlerweile 50 Jahre alten Staaten zwar mehr und mehr in den Hintergrund; es ist aber immer reizvoll, solche alten Spuren noch ausfindig zu machen. Das gelingt manchmal sogar in den früheren, schon 1914 aufgegebenen deutschen Kolonien (Museen und Denkmäler in Namibia, Sansibar, Papua-Neuguinea).
Vielfach wird ja die von den Kolonial-Mächten eingeführte europäische Sprache noch heute als Amts-, Geschäfts- oder Umgangssprache verwendet; manchmal sogar zur Verständigung zwischen verschiedenen Ethnien im Lande. Das sehe ich als die bedeutendste koloniale Hinterlassenschaft an. Neben Englisch, Spanisch, Portugiesisch und Französisch ist Holländisch noch eines dieser europäischen Kolonial-Relikte. In Surinam (früher niederländisch Guyana) war ich überrascht, dass dort auch von den Schwarzen im Urwald nur Holländisch gesprochen und geschrieben wird.
Die jeweilige politische Situation im Reiseland
Von fast jedem Land dieser Erde glauben wir, die aktuelle politische Situation ungefähr zu kennen. Die Vorstellung mag falsch oder richtig sein, meist ist sie unvollständig. Mir geht es bei meinen Reisen sehr darum, die nationalen Entwicklungen zu erkennen; und auszumachen, wie man die Welt von dort aus sieht.
Häufig sind die politischen Verhältnisse im Land oder die Beziehungen zu anderen Staaten gespannt. Das macht jedoch für einen politisch interessierten Touristen gerade den Reiz mancher Reise aus. Viele Nuancen nimmt man nur wahr, weil man von ihnen und der Geschichte des Landes weiß. Kriege und andere Auseinandersetzungen mit Nachbarländern liegen vielleicht noch gar nicht so lange zurück; man erlebt die Normalisierung. Was man vor Ort sieht und hört, lässt einen später zuhause oder auf anderen Reisen die Welt und die Beziehungen der Länder untereinander besser verstehen. Neue Nachrichten über ein Land, das man gesehen hat, verfolgt man viel aufmerksamer.
Die Sprachen – ein Reisehindernis?
Natürlich verstehe ich von den Sprachen der meisten Länder, die ich besuche, nicht ein einziges Wort; mit zunehmendem Alter werde ich da jedoch immer gelassener. Es kann überall Situationen geben, in denen man nicht versteht oder verstanden wird. Oft scheitert die Verständigung im Ausland, wenn wir nach dem Weg fragen, allein daran, dass wir unser Ziel, einen Ortsnamen ganz anders aussprechen als die Einheimischen. Verständlich, dass sich viele Menschen vor solchen Situationen in fremden Ländern fürchten.
Eigentlich kommt man mit Schul-Englisch heute überall zurecht; auch in französisch-sprachigen Gebieten. Wer auf Globe-Tour gehen will, sollte aber besser in der Volkshochschule oder sonst wo ein bis zwei Semester Französisch und/oder Spanisch, Russisch lernen. 200 Worte einer Sprache genügen oft schon, um einigermaßen zurechtzukommen. Es gibt heute so viele Hilfsmittel, Bücher, Vokabel-Karteien oder -Dateien aus Pappe oder digital, vielleicht CDs, die man hier beim Autofahren nebenbei abhören und lernen kann.
Und mit dem betont unbeholfenen Vorlesen einiger Phrasen aus einem Reise-Sprachführer in einem Omnibus oder Eisenbahnabteil können Sie große Heiterkeit auslösen und die Menschen für sich gewinnen.
Unterhaltung im Ausland; typische Fragen; Gesprächsablauf
Natürlich versucht man im Hotel, im Bus oder Taxi mit Einheimischen oder Mitreisenden ins Gespräch zu kommen. Anknüpfungspunkte liegen für einen Reisenden als Besucher in fremder Umgebung immer auf der Hand. Die andere Seite hat dagegen keine Fragen zum dortigen Umfeld, sodass die Person des Fremden als Gesprächsobjekt im Mittelpunk steht. Da höre ich meistens die gleichen Fragen:
Woher kommen Sie? „Germany!“ Ost oder West? (Ja, das fragen einige heute noch!)
Haben Sie Kinder? (das ist nach meinem Eindruck nur eine reine Überbrückungs- oder eine Höflichkeitsfrage).
Sind Sie das erste Mal hier, wie lange sind Sie schon in unserem Land?
Waren Sie schon in anderen Ländern (unserer Region/im Nachbarland)? Gebe ich mehrere Länder an, habe ich oft zu hören bekommen: You must be a very rich man. Ich kann deshalb auf keinen Fall sagen, ich bereise die ganze Welt. Allenfalls: „Ich finde die Länder Zentralafrikas (Südostasiens o.a.) so interessant“.
Wenn ich Gespräche auf interessante Besichtigungsziele im dortigen Land lenke, bin ich nicht mehr selbst der Befragte. Manchmal bekomme ich noch nützliche Hinweise, darf mich aber nicht wundern, wenn man mit unseren Reisehandbüchern vielfach besser orientiert ist als viele Einheimische.
Was führt Sie beruflich in unser Land?
Viele können es kaum glauben, dass man ‘nur zum Spaß’ ihr Land besucht. „Ich bin Tourist“; klingt besser; denn Touristen sind ja für das Gastland Geschäftspartner, Devisenbringer. Orthodoxe Vertreter mancher Religionen empfinden Tourismus jedoch als Reizwort; wegen der Fremdeinflüsse und wegen der Freizügigkeit der Ausländer an Badestränden und in Vergnügungsstätten.
Bis wohin fahren Sie mit unserem Bus? In welchem Hotel steigen Sie ab.? Haben Sie schon ein Hotel am Ankunftsort und werden Sie vom Busbahnhof abgeholt? Ich sage immer „ja“, denn sonst geht es weiter: „Sie werden am Busbahnhof im Gewirr gar nicht zurecht kommen; ich kann Ihnen weiterhelfen. Mein Freund und ich werden Ihnen eine Unterkunft zeigen; Sie können auch bei meinem Freund schlafen“. – Da tauchen in mir Sicherheitsbedenken auf. – Als nächstes erwartet man die Frage: „In welcher Tasche tragen Sie Ihre Dollars bei sich?“
Eine Hauptfrage ist fast immer: Was sind Sie oder waren Sie von Beruf? Die Leute möchten wissen, was muss man in Deutschland sein, um sich eine Auslands-Reise leisten zu können. Auch der „Status“ eines jeden spielt ja in außereuropäischen Ländern eine große Rolle. In brenzligen Situationen habe ich mehrfach gesagt „Police-Officer“.
Manchmal kann man aber nicht mauern; zum Beispiel, wenn ich tagelang mit einem freundlichen Driver allein unterwegs bin. Da ergibt sich ja bald ein Vertrauensverhältnis. Ich vermeide aber (außer gegenüber Behörden) meine Beschäftigung in einer Bank zu offenbaren, weil ich da Assoziationen mit viel Geld, und deshalb Bettelei, Verfolgung, Raub oder gar Entführung mit Lösegeld-Erpressung befürchte. Häufig habe ich mich schlicht und nicht unzutreffend als Company-Lawyer bezeichnet.
Mehrmals haben mich Leute in Dritte-Welt-Ländern doch glatt gefragt, was ich im Monat verdiene oder als Rente beziehe. Ich kann die Frage gut verstehen, habe sie aber mit der Bemerkung abgetan: „Keine Zahlen!“
Auf die Bemerkung: „You must be a very rich man!“ erwidere ich ganz lapidar: Vermögen besitze ich gar keins , beziehe aber eine Company-Pension. Wenn ich davon einige Monate etwas übrig behalte, kann ich mal eine solche Reise auf eigene Faust mit Billig-Flügen und in Budget-Hotels unternehmen. Als Reaktion hörte ich kürzlich: „In unserem Land gibt es keine Company, die eine solche Rente garantieren könnte.“ Häufig stellen sie aber konkrete Fragen zu unserem sozialen Sicherheits-System und vergleichen es mit dem ihres Landes.
Dann muss man natürlich auf die hohen Lebenshaltungskosten in Europa, kann aber eventuell auch auf die Überbevölkerung im dortigen Land hinweisen. Es bedarf schon einiger Anstrengungen, mit Fingerspitzengefühl auf Fragen dieser Art einzugehen oder sie nicht zu beantworten. Das hängt immer von der Situation ab, wie man in ein solches Gespräch geraten ist.
Jeder Reisende ein Botschafter seines Landes?
Die Politik der westlichen Welt in den Augen der Entwicklungsländer.
Ich will fremde Völker kennen lernen. Was aber denken die Einheimischen in den Reiseländern von uns Touristen? Gerade in Übersee wird mir oft bewusst, dass auch ich als Privatmann Deutschland und Europa irgendwie vertrete, zumal ich (im Gegensatz zu Geschäftsleuten, Ingenieuren, Wissenschaftlern oder trampenden Jugendlichen) den Einheimischen als Durchschnittseuropäer erscheine. Schon die Selbstachtung gebietet gewisse Beschränkungen und Rücksichtnahmen. Man wird doch immer als Weißer, Christ, Westler, Wohlstands-Bürger eingeordnet und bewertet. Am besten erzählt man nicht zu viel von sich, von uns, was bei Ärmeren zu Neid, Begehrlichkeiten, Resignation, Enttäuschung oder Hass führen kann.
Aber man trifft als Individual-Reisender im Hotel oft gut situierte, gebildete, gereiste Menschen, die einen ins Gespräch ziehen; da kommt es gelegentlich zu ernsthaften Unterhaltungen über wirtschaftliche und politische Fragen. Ich habe den Eindruck, dass man von mir als älterem, gesetzten Allein-Reisenden ausgewogene Einschätzungen erwartet. Man soll oft die Politik Deutschlands und der EU erklären oder verteidigen. Manche fragen sehr direkt, gelegentlich auch provokativ. Da können einem alle Vorbehalte der zweiten und dritten Welt gegen den Westen entgegenschlagen.
Ich möchte einige problematische Beispiele aufführen: Wie reagierst Du:
Wenn Dir ein Araber Sympathie ausdrückt, weil in Deutschland während des zweiten Weltkrieges Juden umgebracht wurden?
Wenn ein Araber die Israeli beschimpft, weil sie den Jom-Kipur-Krieg begonnen hätten und im West-Jordanland weitere Siedlungen bauen? Oder indem er andere Gründe vorbringt, die Du gar nicht gleich nachvollziehen kannst.
Wenn Dir jemand auf die Schulter klopft, weil Deutschland sich nicht am Krieg gegen Irak beteiligt hat.
Wenn für alle möglichen Probleme in Nahost befreundete Staaten Deutschlands, besonders die USA und Israel, verantwortlich gemacht werden? In Latein-Amerika vor allem die USA.?
Wenn Dir jemand die Beteiligung Deutschlands am Afghanistan-Krieg vorhält.
Wenn Dir ein Afrikaner die Einmischungen Frankreichs in afrikanische Konflikte vorhält.
Wenn Dir ein afrikanischer Politiker Kolonialismus vorhält? Europa habe mit dem Hissen der Europafahne neben der Trikolore seine Süderweiterung gefeiert, nachdem die Franzosen auf der Komoren-Insel Mayotte ein verfassungsrechtlich zweifelhaftes Referendum veranstalten ließen.
Wenn Dich jemand in einem armen Land Afrikas oder Asiens fragt, „stimmt es, dass man als Migrant in Deutschland 500 US-$ monatlich bekommt, ohne dafür irgendetwas machen zu müssen? Kriegt das Jeder?“
Wenn jemand mit Dir mitläuft und nicht ablässt zu bitten, „Gehen Sie mit mir auf das deutsche Konsulat und unterschreiben Sie für mich einen Visa-Antrag“.
Nicht immer kann man die Unterhaltung abbrechen, Unkenntnis der Zusammenhänge vorgeben oder den Vorhalt, die Frage, mit einem Lächeln übergehen.
Das deutsche Ansehen im Ausland
Die meisten Deutschen hier wissen gar nicht, welches Ansehen Deutschland in den Ländern Asiens und Afrikas genießt und wie man davon als deutscher Tourist stimmungsmäßig profitiert. Dafür spielen viele Dinge eine Rolle:
Dass Deutschland (trotz kurzer Versuche 1880-1914) keine Kolonialmacht war. Jedenfalls leitet sich keiner der mit der Entkolonisation 1947-1963 entstandenen Staaten von Deutschland ab.
Deutschland stand bisher da als das unbelastete Land der weißen Welt ohne Weltherrschaftsstreben und Einfluss-Absichten.
Die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands wird bewundert. Oft wird Helmut Kohl zugeschrieben, dass er mit Gorbatschow das weltweite Ende des Kalten Krieges eingeleitet habe. Damit verbinden Viele aus früheren Ostblockstaaten die Unabhängigkeit ihres Landes von der ehemaligen UdSSR. Sie sehen das auch als Ursprung ihre eigenen heutigen Entfaltungsmöglichkeiten, privater oder kommerzieller Art an, gleichgültig, ob sie sich legal betätigen oder von krummen Geschäften leben.
Während man sieht, dass der politische Einfluss Deutschlands ständig zunahm, wird die Einbindung in die NATO, die enge Partnerschaft mit den USA und Israel in vielen Ländern negativ gesehen; man bringt uns mit deren Politik in Verbindung.
Die wirtschaftliche Stärke Deutschlands wird bewundert. Die Deutschen Auto-Marken Mercedes, BMDoubleU, Audi, VW und MAN repräsentieren das Deutschlandbild auch in ärmsten Staaten sogar auf der Straße. Der deutsche Fußball, Namen deutscher Spieler sind überall auf der Welt bekannt. Manchmal spielt ein schwarzer Landsmann in einem deutschen Verein.
Aufgrund seiner wirtschaftlichen Stärke wird von Deutschland auch Hilfe zugunsten der Entwicklungsländer, ja sogar der europäischen Staaten erwartet.
Gesundheit
Man muss wohl für eine Überseereise schon einigermaßen fit sein! Und doch gibt es heute viele Möglichkeiten, auch mit Behinderungen durch Alter und Krankheit weit herumzukommen. Viele Schiffs-, Flug- und Bustouren gehen auch auf Menschen mit Handicap ein. In allen Ländern wird ihnen weitergeholfen. Eine Taxi- oder Rikscha-Fahrt müssen Sie auch als Gesunder bezahlen.
Ausgezeichnete ärztliche Behandlung ist in Asien oder Amerika fast überall gewährleistet. Reise-Krankenversicherungen bieten weltweiten Rückholdienst. Von fast überall auf der Welt kann man über Handy mit seinem Hausarzt in Europa oder den Gesundheits-Ratstellen der Versicherer, der Automobilklubs und Kreditkarten-Dienste in Verbindung treten.
Viele Reisewillige haben Angst vor hygienischen Problemen. Vor meiner ersten Übersee-Reise riet mir das Gesundheitsamt zu einem Hepatitis-A-Test. Etwa 90% der Menschen, die im Krieg oder in der Nachkriegszeit lebten, besitzen Antikörper, also lebenslange Immunität. Nun lasse ich mich nur noch alle fünf Jahre gegen Hepatitis B und alle zehn Jahre gegen Gelbfieber (nur für bestimmte Gebiete zwingend) impfen. Auch den Impfschutz, der sonst noch empfohlen wird, halte ich unabhängig von Reisen ständig aufrecht. So kann ich jederzeit starten.
Früher sollte man sich vor einer Reise in die Tropen gegen Cholera impfen lassen. Heute nimmt man Tabletten mit, die der Hausarzt oder der Reisemedizinische Dienst des Gesundheitsamts verschreiben. Es gibt aber keine allgemeinen Ratschläge, weil jeder Mediziner andere Erfahrungen hat, weil überall andere Keime auftreten und weil jeder Körper anders reagiert, auf die Erreger und auf die verschiedenen Medikamente. Ich gehe in Übersee auch in einfache Gaststätten, esse rohe Salate und Majonäse. Aber ich reise nie ohne ein Breitband-Antibiotikum. Es beruhigt mich, wenn auf den Beipackzetteln möglichst viele ausgefallene Krankheiten aufgeführt sind, gegen die das Mittel eingesetzt werden kann, bakterielle Infektionen: Bronchitis, Sinusitis, Mittelohr-Entzündung, Harnweg-Entzündungen, Lungenentzündungen, Brucellose, Borelien, Salmonellen, Typhus, Cholera, ja gegen die Pest.
Auf Reisen kann man völlig unerwartet in die Situation kommen, dass es längere Zeit nichts zu essen, vielleicht sogar zu trinken gibt. Wo der Überlandbus hält, gibt es keine passable Verpflegung. Oder es treten Verzögerungen ein. Abends erreicht man spät eine Unterkunft und die Küche ist nicht mehr besetzt. Mitunter muss man am Morgen vor dem Frühstück weiterreisen. Wer nicht einen halben Tag lang hungern kann, sollte immer genügend Proviant mit sich führen.
Sicherheitsfragen
Als Tourist ist man einer erhöhten Gefahr von Diebstahl und Raub ausgesetzt. Dreimal ist mir ein Foto-Apparat gestohlen worden, einmal wollte man ihn meiner Frau von der Schulter reißen. Meistens nehme ich einen kleinen Zweit-Apparat mit. Ich sehe schon beim Kauf zu, dass die Kameras und die Linsen nicht zu aufwendig erscheinen. Gibt es Alternativen, wähle ich möglichst nicht ein silbern glänzendes Gerät, sondern ein schwarzes. Dann kann man auch einmal unauffällig fotografieren. Am liebsten trage ich heute nur noch eine Digital-Kamera in der Hosentasche, keinen Fotoapparat am Riemen über der Schulter.
Wie man sein Geld, seine Kreditkarten, Tickets, Pass, sichert, wenn man es nicht im Hotel einschließen kann, möchte ich hier nicht öffentlich erörtern. Ich will nur ansprechen, dass es oft darum geht, im Ort, am Strand und zum Restaurant möglichst leicht bekleidet und ohne Umhängetaschen herumzulaufen. Man möchte am liebsten nichts in der Hand haben. Den kleinen Digital-Fotoapparat halte ich mit der Faust in der einen Hosentasche fest, die Geldbörse in der anderen. Ärgerlich, dass viele Sommerhosen offene Gesäß-Taschen besitzen, die Hemden nicht einmal ein Außentäschchen, wo man seinen Pass, etwas Geld und die Kreditkarte hineinstecken könnte. Lassen Sie sich Innentaschen einnähen!
Probleme bereitet es mir, wenn ich auf längeren Strecken mein Gepäck nicht mit an den Sitz nehmen soll. Es kommt dann im Überlandbus vielleicht in einen Stauraum unter der Fahrgast-Ebene oder aufs Dach. Man beruhigt sich damit, dass man beim Ausladen schon aufpassen werde. Dann kommt es aber zu häufigen Zwischen-Stopps. Da können Sie aus dem überfüllten Bus nicht jedes Mal aussteigen. Auch wenn Sie raus kommen, haben Sie dort gar keinen Überblick, sehen ihre Tasche im Kofferraum nicht. Setze ich mich ans Fenster über der seitlichen Klappe des Kofferraums, dann sehe ich gar nichts mehr, sobald diese hochgeklappt wird. Ich bin da gebranntes Kind, weil mir einmal in West-Afrika in einem Sammeltaxi etwas aus dem Gepäck gestohlen wurde. Da muss jemand bei einem Halt meine Tasche geöffnet und meine Schuhe, die zu oberst lagen, in seine Bagage umgeladen haben. Und das, während ich in der letzten Reihe nur einen Meter davor gesessen habe! Leider befanden sich in den Schuhen mehrere belichtete Filme. Seither schließe ich die Taschen ab, würde mich aber nicht wundern, wenn sie aufgeschnitten werden. Also möglichst kleines Gepäck und das irgendwie an den Sitzplatz im Bus mitnehmen.
Mehrmals haben uns in Touristen-Gegenden Trick-Diebe ins Visier genommen, deren Masche aber so auffällig war, dass wir sofort ausweichen konnten. In Buenos Aires saßen wir in einem Park, als plötzlich von der Seite Speise-Eis bei meiner Frau auf ihrer Hose landete. Ich wusste gleich, hier war etwas faul und drängte zum sofortigen Verlassen des Schauplatzes. Schon kam ein Mann, der in der Nähe gesessen hatte, aber nicht der Kleckser gewesen war, und setzte sich dicht an meine Frau heran. Er hatte bereits Papier-Taschentücher in der Hand und wollte wischen, bevor ich die Handtasche meiner Frau an mich nahm. Vorfälle mit Wischtüchern erlebten wir noch zweimal auf späteren Reisen.
In einem anderen Fall in Paris bückte sich in einem Park an der Seine neben uns ein Osteuropäer und zeigte uns dann einen goldfarbenen Ring, der dort gelegen hätte. Ob der uns gehöre. Der Mann wollte doch nur dicht an uns herankommen und wir entfernten uns sofort von der Stelle. 100 Meter weiter sahen wir ihn mit gleichem Bücken ein anderes Touristen-Paar anreden. Solche Erfahrungen machen einen natürlich auch gegenüber fliegenden Händlern misstrauisch, die aufdringlich werden und einem hinterherlaufen.
Am sichersten fühle ich mich an Orten, wo keiner einen Touristen erwartet. Deshalb habe ich auf exotischen Fernreisen weniger Angst allein auf abgelegenen Wegen als in manchen europäischen Großstädten. Erst in Touristen- oder Pilger-Gebieten wird es wieder kritisch.
Schwierigkeiten hat man schon mal mit lokalen Taxifahrern. Unheimlich ist mir, wenn Fahrer untereinander handgreiflich werden, weil sie sich um meine Fuhre prügeln; vielleicht nachdem ich mehrere angesprochen hatte. Dann reißen sie sich manchmal gegenseitig Dein Gepäck aus den Händen. Solche Szenen erhöhen aber die Aufmerksamkeit. Wenn man mich nach Tagen vermissen oder meine Leiche im Busch finden sollte, würden die anderen doch wissen, das war der Fahrgast, den der Kollege neulich mitgenommen hat. Wenn ich in abgelegene Gebiete will, lege ich sogar Wert auf Öffentlichkeit. Ich bestehe unter Umständen darauf, dass der Fahrer seine Familie informiert, am besten, dass er mit mir noch dort vorbei sieht. Dann fährt der Mann unterwegs ruhiger.
Wenn man ein Hotel sucht, gibt es Taxifahrer, die sagen, „bleiben Sie im Wagen, ich frage einmal, was es kostet“ Und dann handeln sie noch eine Vermittlungsgebühr aus, die meinen Preis erhöht. Wenn ein Taxifahrer mit ins Hotel hinein und an die Rezeption will, sage ich deshalb immer mit einem Lächeln, „bleib bitte draußen, sonst wird das Hotel für mich zu teuer“. Ich habe aber auch schon den Fall gehabt, dass das Zimmer für mich billiger wurde als auf der Preisliste, weil mein mehrtägiger Driver Vergleichspreise anderer Hotels ins Spiel brachte.
Mit Drivern von Mehrtages-Touren bin ich zig tausend Kilometer allein durch die Welt gefahren. Ich kann mich nicht entsinnen, jemals schlechte Erfahrungen mit diesen Leuten gemacht zu haben.
Flughafen-Helfer
In manchen Ländern tauchen auf den Flughäfen schon vor den offiziellen Kontrollen männliche Personen auf, die man gar nicht recht einordnen kann. Man merkt, dass es nicht nur Kofferträger sind, ich spreche von „Flughafenhelfern“. Sie müssen legal oder geschmiert von den Ordnungskräften geduldet sein. Denn sie bewegen sich im öffentlich nicht zugänglichen Bereich und nehmen für den Reisenden oder zusammen mit diesem Kontakt zu den verschiedenen Kontrollbeamten von Immigration, Zoll, Währung, Gesundheit, auf. Ihre Masche ist meist, dass sie die Ankömmlinge ganz bestimmt nach Gepäckschein, Pass, Impfpass, Devisen-Erklärung usw. fragen, als ob sie selbst eine Amtsperson wären. Am unübersichtlichsten wurde die Situation in Zaire, wo uns viele solcher Personen eines dieser Dokumente abnehmen wollten und später 50 US-$ oder mehr verlangten, bevor sie es wieder herausgaben. Uniformierte unterstützten dann noch solche Forderungen.
Es kann aber in weniger geordneten Ankunftsbereichen mitunter sogar hilfreich sein, dass einem jemand sagt, in welcher Reihenfolge die einzelnen Kontrollen zu durchlaufen sind, welche Formulare man als Europäer ausfüllen muss und wo man vorher welche Gebühr zu bezahlen hat. Auf den Komoren hatte der Flughafen-Helfer bereits eine Liste der Hotels mit allen Preisen und besorgte natürlich einen Taxifahrer. Ohne ihn hätte ich gar kein Einreise-Visum bekommen, weil ich nicht aus Europa, sondern aus Afrika kam. Man darf also bei Auftauchen nicht-amtlicher Personen am Flughafen nicht überrascht sein, muss aber versuchen, seine Papiere sowie den Verlauf der Abfertigung unter Kontrolle zu halten.
Arten zu Reisen; Anregung oder Abschreckung?
Alle Reisen meines Lebens habe ich seit langem digital erfasst. Dazu gibt es an die hundert verschiedenen Dateien in meinem Computer: Länder, Orte, Daten, Flüge, Hotels, Fähren, Flüsse und vieles andere ist nach unterschiedlichen Merkmalen geordnet. Die umfangreichste Reisedatei enthält alle Orte, die auf meinen Reisen für mich eine gewisse Bedeutung hatten; sie umfasst zurzeit etwa sechstausend Datensätze. Eine intensive Erfassung der Reiseeinzelheiten ist unbedingt notwendig, wenn man 160 Staaten und 50 halbautonome Gebiete besucht hat. Sonst bringt man später alles durcheinander und kann nur noch sagen, „überall war es schön; ich habe aber Namen vergessen und weiß die zig tausend Bilder nicht mehr den einzelnen Ländern und Regionen zuordnen.“
Meine Freunde drängten mich schon lange, meine Reise-Erlebnisse in einem Buch zu veröffentlichen. Ich wollte aber keine Länder beschreiben; darüber gibt es doch genügend Reiseführer. Von früheren Reisevorträgen besaß ich schon viele Stichworte und kurze Manuskripte. Auch durch E-Mail-Verkehr von unterwegs hatte ich in neuerer Zeit schon Ansätze für Reiseberichte und habe diese ausgebaut, eigentlich mehr aus Lust am Schreiben. In vielen Berichten ist stärker als anfänglich gewollt, der politische oder historische Hintergrund herausgestellt.
Und dann kam ich auf die Idee, Menschen zu Welt- Reisen zu ermuntern. Auch Leute in zweiter Lebenshälfte. Das muss ja nicht auf eigene Faust geschehen, aber auch das kann man einmal probieren. Ich fliege heute eigentlich gern ohne Vorbuchung drauflos und fand dann vor Ort fast überall in der Welt Taxi-Fahrer oder einheimische Reiseveranstalter für Teilabschnitte im Lande. Aber auch hiesige Reiseveranstalter stellen so etwas nach individuellen Wünschen zusammen. Mir kommt es unter anderem darauf an, dass ich nur Flüge und Ausflüge buche, zu denen ich nicht morgens um 6 Uhr aus dem Bett muss. Ich will darstellen, wie man im Ausland unterwegs zurecht kommt, in welche Situationen man auf Reisen gerät und dass man da immer wieder irgendwie herausfindet.
Ich habe nun 14 Länder-Berichte von meinen interessantesten Übersee-Reisen zusammengestellt.
Seit meinem 50. Lebensjahr war ich bemüht, zuerst die entferntesten und schwierigsten Länder zu bereisen. Das kann man aber nicht starr einhalten. Weite Reisen sind länger und teurer. Dann konnte ich in einem Jahr vielleicht noch eine kurze Reise antreten. So sind mir auch heute noch einige schwierige Länder übrig geblieben. Afghanistan und Somalia erscheinen derzeit aus Sicherheitsgründen unerreichbar; einige Länder erteilen keine Visa an Einzelreisenden ohne persönliche Einladung. Außer den souveränen Ländern möchte ich auch noch einige weitere halbautonome Territorien oder Überseegebiete aufsuchen.
Reisen ist Leben.